Francis Kéré: Bauen Für Die Zukunft
BAUEN FÜR DIE ZUKUNFT
Francis Kéré ist ein international anerkannter Architekt, dessen Arbeit sich auf Nachhaltigkeit und Zusammenarbeit konzentriert. Geboren in dem Dorf Gando in Burkina Faso, kam er erst spät zur Architektur, als er im Alter von 30 Jahren ein Stipendium an der Technischen Universität Berlin erhielt. Seitdem hat er eine steile Karriere hingelegt und Projekte sowohl in Westafrika als auch in Europa entworfen. In diesem Jahr wurde ihm als erstem afrikanischen Architekten der Pritzker-Preis verliehen – die höchste Auszeichnung der Architektur. Güntner erfüllt es mit Stolz, Kéré’s Projekt Tugunora als Standkonzept auf der diesjährigen Chillventa zu präsentieren, um einen einzigartigen Raum für den Austausch von Ideen zu schaffen.
Ein Interview von Lisa Gerle
Güntner: Erzähl uns von Tugunora und was du mit diesem Projekt erreichen wolltest.
Francis Kéré: Das Wort Tugunora ist eine Mischung aus Tuguna – ein überdachter, öffentlicher Platz in Westafrika – und Agora – die griechische Freiluftarena. Beide fördern den Dialog auf unterschiedlichste Weise. Das wollte ich mit der Tugunora auch erreichen. Ein Ort, wo auf vertraute, aber doch unerwartete Art Gespräche stattfinden können. Und zwar sowohl solche, die moderiert werden, als auch solche, die einfach zwischen Menschen, die hier zufällig zusammentreffen, entstehen. Gerade weil die Tugunora keine herkömmliche Unterscheidung zwischen Bühne und Publikum macht, und weil sie von jedem verwendet werden kann, wie er oder sie es für richtig hält, kann hier ein offener Austausch stattfinden. Wenn Menschen aus ihren üblichen Haltungen und ihnen vertrauten Sitzkonstellation herausgelöst werden, gibt es Freiraum für ganz unerwartete Gespräche.
Güntner: Nachhaltigkeit ist für dich und auch für uns bei Güntner von großer Bedeutung. Wie spiegelt sich Nachhaltigkeit in deiner Arbeit wider?
Francis Kéré: Ich spreche hier gerne von Umsicht. Das heutige Wegwerfverhalten steht im Konflikt mit Nachhaltigkeit. Um Gebäude oder auch Produkte zu schaffen, die ausgebessert werden können, wenn was nicht mehr in Ordnung ist, ist das Nachdenken über Material essentiell. Wo kommt es her? Wie viel gibt es davon? Und kann es mit wenig Aufwand repariert werden?
Güntner: Wenn wir über den sinnvollen Einsatz von Ressourcen sprechen, müssen wir auch an die Grundbedürfnisse des modernen Lebens denken. Ob es um die richtige Temperierung von Gebäuden, die Verfügbarkeit frischer Lebensmittel oder um die Wiederverwendung der Abwärme von Rechenzentren geht. Wie sehr ist die heutige Architektur in diese Fragen eingebunden?
Francis Kéré: Die heutige Architektur steht vor sehr komplexen Aufgaben. Ich kann aber nur für mich sprechen, wenn ich sage, dass ich immer versuche die Dinge bestmöglich in Einklang zu bringen und dabei nicht blind auf die angesagtesten Lösungen zu bauen. Um ein angenehmes Raumklima zu schaffen, überlege ich erst, wie das Gebäude an sich dazu beitragen kann. Und ich versuche von Architektur zu lernen, die schon lange vor unserer moderner Technologie Lösungen für ähnliche Themen gefunden hat.
Güntner: Ist es immer noch aufregend ein neues Gebäude zu planen?
Francis Kéré: Ja, natürlich. Ich habe das unglaubliche Glück, dass das, was ich am liebsten mache, mein Beruf ist. Jedes Projekt ist eine neue Herausforderung und je nachdem, für welchen Teil der Leistungen ich und mein Team mit von der Partie sind, bringe ich meinen Ansatz ein. Ich lerne aber auch gerne von all denen, mit denen wir zusammenarbeiten. Und dann hat jede Phase unterschiedliche Dinge, die aufregend sind. Ganz am Anfang ist es, dass da ganz viele Möglichkeiten sind und man den Gedanken freien Lauf lassen kann. Dann in der Planung der Details ist es immer spannend mit Statiker:innen und anderen Expert:innen zusammenzuarbeiten, um gemeinsam die Umsetzbarkeit der Ideen zu erarbeiten. Ich finde aber auch toll, zu den Baustellen zu fahren und die Entstehung zu sehen. Und dann bleibt auch nach der Übergabe immer ein bisschen Aufregung, wenn man das Gebäude den Nutzer:innen übergibt und sieht, ob sie glücklich mit dem Resultat sind und man dann beobachten kann, wie das Projekt ein Eigenleben annimmt.
Güntner: Wenn deine Enkelkinder dich eines Tages fragen: „Was hast du getan, um unsere Zukunft zu sichern?“, was würdest du ihnen dann gerne sagen können?
Francis Kéré: Ich habe versucht, wichtiges Bauwissen unserer Vorfahren am Leben zu erhalten und dieses in eine zukunftsweisende Architektur einzuflechten. Damit habe ich praktische Optionen aufgezeigt, in der Hoffnung, dass die nächste Generation so baut, dass auch für deren Kindeskinder ein lebbarer Planet mit toller Architektur bestehen bleiben kann.